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Berliner Feeling im Ilmenauer BC-Club

  • wortbeat
  • 7. Feb. 2020
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 1. Mai 2020

ALS ES RAMMSTEINTE


„Flake: Der BC-Club in Ilmenau war die Slamer-Hochburg. Das ist ein ganz kleiner Studentenclub, den jede Band kennt, weil alle von unseren Bekannten da sehr oft gespielt haben. Die waren dort kulturell sehr aufgeschlossen, das war ein absolut cooler Club. Die haben einfach mit der Band bis früh um neun gefeiert, was wir nicht so oft erlebt haben. Dort war es selbstverständlich, dass eine Flasche Schnaps auf dem Tisch steht und man mit der Clubbesatzung noch zusammensitzt.“


(aus dem Buch „Feeling B – MIX MIR EINEN DRINK“, S. 314 von Ronald Galenza & Heinz Havemeister)


Das erste Rammstein Konzert fand am 14. April 1994 als Vorband, vor der Band von Flakes großem Bruder, im berühmt berüchtigten Leipziger Stadtteil Connewitz, in der dortigen Szenekneipe naTO vor ca. 15 Leuten statt.


Ein weiteres sehr frühes Konzert von ihnen, das bei Wikipedia erstaunlicher Weise Erwähnung fand, fand am Samstag, dem 28. Mai 1994 in der Thüringer Kleinstadt Ilmenau auf einem Open-Air des BC-Studentenclubs statt. In diesem Club und in Ilmenau spielten Paul Landers, Flake Lorenz und Christoph Schneider schon des Öfteren mit ihrer alten Band FEELING B. Dort wo in den 80er Jahren und in der Wendezeit bis Mitte der 90er Jahre DDR-Bands wie FREYGANG, SANDOW, DIE ART, DIE SKEPTIKER, HERBST IN PEKING, THE INCHTABOKATABLES, DEKADANCE, BOBO IN WHITE WODDEN HOUSES, THINK ABOUT MUTATION und viele andere Bands regelmäßig zu Gastspielen vor Ort waren. Den Aussagen des Wikipedia Eintrages über Rammstein muss ich allerdings dahingehend widersprechen, dass im BC-Studentenclub Ilmenau nicht erst zur Wendezeit progressive systemkritische Bands spielten, dieser Studentenclub war quasi ein Anti(DDR)sozialistischer Sündenpfuhl. J Auf jeden Fall hat Ilmenau und der BC-Club offenbar einen bleibenden Eindruck bei Flake & Co hinterlassen, da der Club Erwähnung in Flakes Buch „Heute hat die Welt Geburtstag“ und in dem Buch „Feeling B – Mix mir einen Drink“ von Ronald Galenza und Heinz Havemeister fand, ob auch in einem der Bücher über Rammstein, das ist mir allerdings nicht bekannt. Bekannt ist mir allerdings eine Radiosendung von MDR-Sputnik vom 10. September 1993 namens Grenzpunkt Null anlässlich des 10-jährigen Bestehens von Feeling B, in der es sogar ein Livetelefonat zum BC-Club gab.


Lokale Heavy Metal Band MORBIT 1986

Die Geschichte des BC-Clubs geht bis ins Woodstock Jahr 1969 zurück, Studentenunruhen in Europa, revoltierende Jugend in Amerika und mit Sicherheit Andersdenkende hierzulande. Anfangs als studentischer Treffpunkt eingerichtet, folgten dann erste Veranstaltungen, bis der Jazz einzog und sich Live-Musikabende etablierten. Später kam der Rock ’n’ Roll, Hard Rock, Blues, Heavy Metal, Punk und sicherlich auch noch einige andere Genre hinzu. In die Schar der Studenten reihten sich irgendwann auch immer mehr Ilmenauer jugendliche Musikliebhaber und Tanzlustige ein. Zu DDR Zeiten war die Zahl der Stadtjugendlichen, die Einlass begehrten, allerdings auf eine bestimmte Anzahl begrenzt. Neben dem BC-Club gab und gibt es noch die Studentenclubs BI und BH bereits seit 1968 und den BD seit 1972, wobei das B jeweils für Block (Wohnblock) steht und die Blöcke statt Nummern Buchstaben haben.


Ich persönlich betrachtete den BC-Club von 1985 bis 2017 als mein Wohlfühlzonenzimmer, zuerst als Student, später als Praktikant und bis zum bitteren Ende als Mitarbeiter und beständiger Mittagspausengast des BC-Studenten-Café, welches tagsüber seine Pforten fürs studentische Volk und andere Völker geöffnet hat.


Die Clubecke - Any Day After















Zusammengeschlossen im Ilmenauer Studentenclub e.V. bilden die Clubs ein gutes Team, was sich heutzutage besonders beim jährlich stattfindenden Campus Noir Wochenende Ende September zeigt. An diesem Wochenende spielen in den drei Clubs (C, H und I) nacheinander Live Bands, wobei sich das schwarz bunte Treiben über den halben Campus, geschmückt in einer schönen Lichterpracht, erstreckt und diverse Außenaktivitäten das ganze Spektakel bereichern. Insgesamt werden jedes Jahr ungefähr 50 Konzerte unterschiedlichster Art durch den Verein organisiert.


Das Rammstein Konzert

Am Einlass zum Open Air Gelände saß ein befreundeter Kommilitone von mir an einen DDR Schultisch, darauf eine kleine Geldaufbewahrungsbox, Made in GDR, stehend. Das war dann auch schon von offizieller Seite alles, keine Ordnungsgruppe, nur ein sogenannter Abendverantwortlicher und die Leute an der Bar. Er saß quasi links unten in der Ecke eines mit rotweißen Plastikbändern umrandeten Karrees von circa 8000 m² hanglagiger Wiese oberhalb des Campus circa 300 m vor dem altehrwürdigen Helmholtz-Bau. Den Obolus den er verlangte, werden einige Leser eventuell für unglaublich halten, er betrug drei Deutsche Mark für Studenten und ich glaube fünf für Verdiener. Getränke waren im ausreichenden Maße vorhanden, die Sonne schien, das Bier floss in Strömen, Cannabisgeruch lag in der Luft, Mädchen und Jungen versammelten sich in froher Erwartung, der Samstagabend konnte beginnen.


Das Gerücht, dass Leute von FEELING B mit ihrer neuen Band hier spielen sollen, hatte circa 150 Freunde der etwas anderen musikalischen Unterhaltung angezogen, die auch voll auf ihre Kosten kommen sollten. Ob wirklich noch andere Bands an diesem Abend zusammen mit Rammstein auftraten, kann ich definitiv nicht sagen, da ich es nicht mehr weiß. Aber ich weiß, Rammstein waren da und ich stand mit ihnen auf der Bühne, aber nur um wieder von dieser zu springen und nicht ohne vorherige Pogo Einlagen auf selbiger aufzuführen. Es war ein wildes Stagediving und Headbangen. Die Power und Energie, die die Rammsteine an den Tag legten, infizierte alle und jeden der sich in Hörweite befand, also quasi die ganze Stadt Ilmenau mit umliegenden Bergdörfern. Till Lindemann mit Schweißerbrille und Zylinderhut ließ mit seiner Stimme die Luft vibrieren. Die beiden bisher noch nicht erwähnten Rammsteine Richard Kruspe und Oliver Riedel hatten natürlich den gleichen Anteil an diesem hierzulande legendären Gig wie die anderen bereits erwähnten Bandmitglieder. Ich kann es nicht anders ausdrücken, als zu sagen bzw. schreiben, das war eines der wildesten Konzerte, dass ich je sah und hörte.


Nach dem Konzert ging die Party im BC-Club allerdings weiter, ich denke mich zu erinnern, dass sie dort auch noch einmal Live spielten. Da es im Club aber so gut wie keinen Sauerstoff mehr gab, im Gegensatz zu alkoholischen Getränken, sind meine Erinnerungen diesbezüglich stark eingeschränkt, auf jeden Fall steppte der Bär, nicht nur der Berliner. ;-) Aber ich erinnere mich noch gut an den Weg zum Club. Mein Kumpel Elvis, der alte Rock ‘n‘ Roller, sprang in eine Hecke, quasi ein simuliertes Stagediving, da er sich dies beim Konzert vor Publikum nicht traute. Dummerweise stand in der Hecke, von der anderen Seite her ein Fahrrad angelehnt, auf das er sprang und sich einige blaue Flecke zuzog. Das fanden wir in diesem Moment alkoholbedingt aber trotzdem sehr lustig und er hat es zum Glück ohne Folgeschäden überstanden.


Aber irgendwann war auch diese Nacht leider vorüber, die Erinnerungen daran bleiben allerdings sagenumwoben und unvergesslich. Und vielleicht war es auch in dieser Nacht selbstverständlich, dass eine Flasche Schnaps auf den Tisch gestellt wurde und die Jungs mit der Clubbesatzung noch bis neun Uhr zusammensaßen.


Der zweite Streich

Auf ihrer ersten Deutschlandtour beehrten sie Ilmenau ein zweites und bisher letztes Mal und das wenige Tage bevor sie mit zwei Aufnahmen auf dem Soundtrack des David Lynch Films „Lost Highway“ ihren internationalen Durchbruch sozusagen in die Wege leiteten. Dieses Konzert fand am 20. Juli 1996 im Stadtpark statt. Die Ilmenauer Lokalmatadoren der Band ENDZEIT, die zwei Jahre zuvor ebenfalls Zuschauer des ersten Auftritts waren und kurz darauf ihre eigene Band gründeten (ich war dabei), fungierten an diesem als Vorband. TK


https://www.bc-studentencafe.de/

http://www.il-sc.de/

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